Konzertbannner

Chronik

Die Chronik des Musikvereins Ebersweier

Recherchiert von Hans Ludwig Haffner


1945, wurde das Rathaus von Ebersweier von der französischen Besatzungsmacht eingenommen und mit einem Militärposten besetzt. Alle Räume im Rathaus wurden durchsucht und sämtlichen Akten und Belege, die hauptsächlich im Speicher und anderen Nebenräumen gelagert wurden, wurden gesichtet. Im Schulhof, jetzt der Rathausplatz, wurde Papier und Kartons zu einem Stoß angehäuft und verbrannt.

Der Schriftführer des Musikvereins bewahrte nach Auflösung des Musikvereins 1938 die Schriftführerbände daheim bei sich auf. Recht früh, vor Ausbruch des Krieges, wurde er einberufen. Alle schriftlichen Unterlagen des Vereins, die unsere Geschichte bis zum Jahre 1938 dokumentierten, wurden von der Ehefrau des damaligen leider sehr früh, 1942, im Krieg gefallenen Musikers und Schriftführers auf dem Rathaus (Probelokal) abgegeben. Dort jedenfalls lagen sie zur Aufbewahrung während des Krieges in einem Aktenschrank im Obergeschoss im Proberaum des Rat- und Schulhauses. Der Proberaum wurde zeitweilig als Nachtlager für damalige Kriegsgefangene verwendet. Die Unterlagen wanderten deshalb mit Notenschrank auf den Speicher des Rathauses. Nach Kriegsende wurde bei einer sorgfältigen Durchsuchung durch die französischen Besatzungsbehörden das gesamte Notenmaterial und auch sämtlichen schriftlichen Unterlagen ein Opfer voreiliger Verbrennung.


Der Karl Hohler, aktiver Posaunist, war bis zur Auflösung des Vereins der Rechner unserer Musikkapelle. Dessen Kassenbücher überlebten wohl den Krieg, und aus den Kassiererbüchern hätte man anhand der Ein- und Ausgaben bestimmt eine umfassende Chronik nachvollziehen können. Doch beim Einmarsch der Franzosen reagierte ein Großteil der Bevölkerung geradezu hysterisch. Man räumte Speicher, Schubladen, Vitrinen und Abstellräume von allem, was mit dem dritten Reich nur andeutungsweise zu tun haben konnte und vernichtete das Material. Leider waren unsere Kassenbücher auch darunter, und Karl Hohler als Zeitzeuge kehrte nicht mehr vom Krieg zurück.

Bei diesen Rahmenbedingungen jetzt überhaupt Ursprüngliches noch ausmachen oder rekonstruieren zu können, war bestimmt schwierig und im Detail nicht mehr nachzuvollziehen. Mit Hilfe einiger hochbetagter Bürger, die 1996 noch befragt werden konnten und heute zumeist nicht mehr leben, konnte jedoch besonders die Zeit zwischen ersten und zweiten Weltkrieg bezüglich unserer Musikvereinsvergangenheit aufgehellt werden. Und auch einige Erinnerungen vor dem ersten Weltkrieg stellten sich noch ein.


Zur Rekonstruktion der frühen Jahre gibt es zum Glück noch die unverschont gebliebenen Kassenbücher der ehemaligen Gemeinde Ebersweier, die bis auf das Jahr 1877 vollständig im Erdgeschoss unseres Rathauses lagern; ebenso sind alle Bände mit den ausgezahlten Rechnungen, gebunden für jedes Jahr, ausnahmslos vorhanden.

Und so können nun doch über das Entstehen und den Beginn unseres Vereins Aussagen getroffen werden. Die Schrift in Sütterlin war wohl für unsere Augen zu lesen ungewohnt; doch nun wollte man es wissen. Im Kassenbuch 1878 gibt es einen Auszahlungsbeleg, der im damaligen Amtsdeutsch hieß:

Anweisung: Gemeinderechner Kern wird hiermit angewiesen, dem hiesigen Musikverein für Musik bei Festlichkeiten für das Jahr 1878 eine Remuneration von 15 Mark - Fünfzehn Mark – auszugeben, welcher Betrag der Gemeindekasse hier in Ausgabe angewiesen wird. Ebersweier, den 31. Dezember 1878 Der Gemeinderat Bürgermeister Kuderer Empfangen: Zehnfünf Mark, wofür quittiert Franz Noll, Kapellmeister“

Das Kassenbuch für das Jahr davor ist leider nicht aufzufinden. Doch aus den vorhandenen Rechnungsbelegen, die in diesem Jahr das 3-fache normaler Jahre an Menge darstellten, war zu ersehen, dass 1877 das Rat- und Schulhaus erstellt wurde und im Spätjahr die Einweihung und der Bezug vorgenommen wurden. Die Einweihung wurde im festlichen Rahmen gefeiert und junge Burschen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren, die musikalisch mitgestalten durften, beschlossen, weiter zusammenzubleiben und einen Musikverein zu gründen. Die Gruppe war musikalisch imstande, ihren Part auch beim Kirchenfest an Ostern, bei Prozessionen und beim Patrozinium zu erfüllen.

Fakt jedenfalls für uns vom Musikverein Ebersweier ist folgendes. Auf Grund des Schul- und Rathausneubaus bildete sich eine Gruppe Musikinteressierter und übte auf die Einweihung hin. Weiter blieben sie danach zusammen und im folgenden Jahr wurden sie für ihre Leistungen bei Festen und kirchlichen Feiern bezahlt. Dies ist auch in der Folge in den nächsten sechs Jahren aus den Kassenbüchern 1878 bis 1884 ersichtlich.

Interessant dabei ist der Dirigentenwechsel schon im Jahre 1880. Als Capellmeister unterzeichnet jetzt Franz Gütle die Remuneration. Doch 1883 ist wieder Franz Noll verantwortlich. Was war geschehen: Im Januar 1883 verkaufte laut Grundbuch Franz Gütle seine Äcker und wanderte nach Amerika aus. Hier an dieser Stelle ist anzumerken, dass zwei Bürger unseres Dorfes noch aus Erzählungen ihrer Großeltern davon wussten und erzählen konnten: Er wäre auf dem Schiff bestohlen wurde und selbst seinen Pflug, den er auch mitgenommen hätte, wäre geklaut worden und arm wie eine Kirchenmaus wäre er in Amerika angekommen. Franz Gütles Heimathaus stand im „Hexezipfel“, wurde vor 4 Jahren abgerissen und am Eckpfosten des Fachwerkhauses stand eingekerbt noch der Name „Joseph Giedle“.

Franz Noll, 1.Kapellmeister des Vereins, selbst wurde am 20. Sept.1858 geboren. Er leitete also 1878 mit 20 Jahren die Kapelle und wohnte im jetzigen Kaufhaus Zöller-Latt, seinem Elternhaus. Er lernte den Beruf des Krämers wie auch sein Vater, das Haus war damals schon ein Verkaufsladen. Er war sehr musikalisch und spielte neben der Trompete noch Zither und war auch als Chorsänger in der Kirche tätig. Nach dem ersten Weltkrieg diente er in der Kirche noch als Messner. „Verewigt“ im Bild war er an der Kirchendecke; dort wurden 1910 durch den Deckenmaler Bender aus Karlsruhe beim Gemälde Gesichter ebersweierer Bürger dem Papst, dem Kaiser und den Soldaten unterschoben. Franz Nolls Gesicht ziert den Papst. Leider wurde das Deckengemälde bei der Renovation der Kirche als unzeitgemäß geopfert. Insofern eine Parallele zur Verbrennung unserer Schriftführer- und Kassenbücher 1945 uns betreffend, gegeben.

 

 

Zwischen 1886 und 1909 ist betreff des Musikvereins aus den jeweiligen Kassenbüchern nichts mehr zu erfahren. Doch ist zu ersehen, dass am Patrozinium eine Ebersweirer Musik nicht mehr gespielt hat. Der Musikverein von Nesselried spielte 1886 und 1887,-- 1889 Durbach, später der Musikverein Bohlsbach bis 1897, ab 1899 das Musikkorps Windschläg und ab 1905 der MV Griesheim.
Doch 1909 gab es wieder das Bestreben bei jungen Burschen zwischen 14 und 16 Jahren zur Blasmusik und da sie nur zu siebt waren, suchten sie den Anschluss an die benachbarte Musikgesellschaft Windschläg. Angeregt dazu wurden sie durch den ehemaligen Militärmusiker Karl Kaltenbrunn. August Huber, Jahrgang 1895, also gerade 15 Jahre, marschierte also ab dem Jahre 1910 mit Johann Eisenmann, Josef Rapp, Heinrich Kaltenbrunn, Pius Kuderer, Heinrich Rößler und Josef Schnurr jeden Probentag nach Windschläg ins Probelokal Gasthaus zum Mond. 1911 schloss sich noch der Ludwig Rößler dieser Gruppe an. Zum Patrozinium ab 1910 spielte nun die Musikgesellschaft Windschläg mit ihren acht Ebersweirer Hospitanten, die ihren Musikunterricht in Wind-schläg mit 3 Mark Lehrgeld und 50 Pfennig Instrumentenmiete bezahlen mussten.

Im Jahre 1912 zeigten weitere 4 junge Männer ihr Interesse am Musizieren. Emil Eckert, Otto Hauth, Martin Knapp und August Zentner begleiteten die acht nach Windschläg und am Ende des Jahres fühlte man sich stark genug, eine Musikgesellschaft Ebersweier zu gründen. 1. Vorsitzender wurde August Huber, was wiederum durch das Kassenbuch 1912 bewiesen wird und als Dirigent wurde es mit Herrn Schöntag, der Windschläg dirigierte, versucht. Doch dessen finanzielle Forderungen waren für den jungen Verein nicht auf Dauer zu bezahlen; deshalb wurde mit Herrn Benz ein neuer Dirigent verpflichtet. Der Verein wuchs jedenfalls kameradschaftlich eng zusammen, sodass trotz des 1914 beginnenden 1. Weltkrieges viel Substanz noch für die Zeit nach dem Kriegsende verblieben war.

Lehrer Emil Bell betreibt 1919 die Wiedergründung des Vereins als Gemeindekapelle und erhält zur Anschaffung der Musikinstrumente von der Gemeinde 1600 Mark laut Kassen-buch von 1919. Auf weiteren Eingaben des Dirigenten Emil Bell hin werden seitens der Gemeinde die Instrumente und auch die Vergütung des Dirigenten bezahlt. Auf Drängen des Bezirksamtes von Offenburg musste der Gemeinderat beschließen, dass die Instrumente der Kapelle im Eigentum der Gemeinde auch bleiben müssen. Dazu beschloss noch der Bürgerausschuss am 5.11.1922, dass die Vergütung von 500 Mark auf 6000 Mark anzuheben ist. Die Urkundspersonen für diesen Beschluss waren Franz Noll, der ehemalige Dirigent von 1877 -1885 und Karl Männle, späterer 1.Vorsitzender und Kreuzwirt.

Der Verein nach dem 1. Weltkrieg zählte 17 Musiker und Dirigent; 1930 waren es 20 Musiker. Dirigent Bell zog 1924 wieder zurück nach Dresden; Karl Reiß übernahm den Dirigentenstock. Kreuzwirt Karl Männle gab 1927 den Vorsitz an Vinzenz Kuderer, Jahrgang 1868, ab, wurde jedoch im Jahre 1931 wieder zum 1. Vorsitzenden gewählt und mit Karl Kuderer übernahm im selben Jahr wieder ein Dirigent aus den eigenen Reihen die musikalische Leitung. Am 31.Mai bis 2.Juni 1930 feierte der Verein seine 10jährige Wiedergründung; es muss ein große Fest gewesen sein, denn laut Kassenbuch bezahlte die Gemeinde der Firma Bumüller in Offenburg 2 Pakete Schießpulver, die Filiale Zöller musste 10 Pakete Dekorationsmaterial liefern und der Anton Kuderer musste ein Wagen voll junger Birken aus dem Gemeindewald holen.

Eine Rechnung aus dieser Zeit, entnommen dem Ausgabenbuch der Gemeinde, zeigt den Zeitgeist auf:
Rechnung Nr.961/12 für Gemeinde Ebersweier von Karl Männle, Kreuzwirt.
Anlässlich des Fackelzuges an des Herrn Reichskanzlers Adolf Hitlers Geburtstags wurde ich vom Gemeinderat beauftragt, jedem Musiker 4 Glas Bier zu geben 4x16=64 à 20 Pfg = 12,80Mark und den SS-Leuten pro Mann 2 Glas 11x2=22 à 20= 4,40
Zusammen 17,20 Mark Betrag erhalten Ebersweier, den 24.4.1933 i.A. Friedrich Hafner

Schon vor Beginn des ersten Weltkrieges wurde Mitte 1938 der Verein aufgelöst, da auf Grund verschiedener politischer Anschauungen der Musiker untereinander kein Auskommen mehr gegeben war. Der Auslöser damals war die Prozession am Herrgottstag, an Fronleichnam. Ein überzeugter kleiner Teil der Musiker, die Gefolgsleute der NSDAP waren, lehnten eine Teilnahme an der Prozession ab, während die anderen erst recht nicht darauf verzichten wollten. Bei dem nun schwellenden Streit untereinander war an wirksame Probenarbeit nicht mehr zu denken, und der Dirigent stellte deshalb sein Amt zur Verfügung. Die Instrumente wurden teils einbehalten, einige jedoch auch bei der Gemeinde abgegeben oder im Speicher der Krone gelagert.


Am Karfreitag1947 besichtigten der Noll Andres, Huber Karl, Kuderer Pius und Zentner Franz den Dachboden des Rathauses. Die Tuba lehnte an der Wand unter einem beschädigten Dachziegel, stand dreiviertel voll mit Wasser und war total grün voll Grünspan. Diese Besichtigung war der Anfang der Wiedergründung, die offiziell erst am 23. Januar 1949 im Gasthaus Krone neben den Aktiven von 42 Dorfbewohnern, den Gründungsmitgliedern, vorgenommen wurde. Eine frühere Wiedergründung war, obwohl im Jahr davor schon kräftig unter Dirigent Emil Reinbold und danach Dirigent Karl Seigel geübt und gespielt wurde, aus politischen Gründen nicht möglich.

 


Musikverein 1961

 

Mit Bürgermeister Heinrich Strodtbeck, einem aktiven Musiker am Tenorhorn seit 1920, hatte der Verein 1949 seinen ersten Vorsitzenden gefunden, der bis 1970 dieses Amt innehatte und die folgenden 10 Jahre übernahm Werner Beiner, sein Schwiegersohn, dieses Amt. Und mit dem Militärmusiker und Dirigenten Hugo Göhring, der über die lange Zeit von 1949 bis 1975 musikalisch den Verein unbestritten leitete, hatte der Verein ein Vierteljahrhundert nun Beständigkeit. In dieser Zeit wurde am 1.-3. Juli 1961 das 50jährige, bezogen auf das Jahr 1911 gefeiert und außerdem 1975 das 65jährige, bezogen auf das Jahr 1910. Das war auch Dirigent Hugo Göhrings letztes Zeltfest; sein Nachfolger wurde Klaus Eisenecker, der Sept.1975 die musikalische Leitung übernahm.


Beim Blättern in Gemeindebüchern entdeckte man, dass es 1879 schon eine Musikkapelle gegeben hatte und so wurde 4 Jahre nach dem 65jährigen Jubiläum 1979 das 100jährige Bestehen des Musikvereins mit Überreichung der „Pro- Musica- Plakette“ gefeiert und der Präsident des Ortenauer Blasmusikverbandes Rüdiger Hurrle übermittelte die Glückwünsche.1980 übernahm Gottfried Kuderer für vier Jahre die Geschicke, danach für weitere vier Jahre Peter Butz, Ortsvorsteher. Die nächsten zwei Jahre führten Stefan Rößler, unterstützt von Ehrenvorsitzenden Werner Beiner , den Verein und organisierten 1989 das 110jährige Jubiläum, immer noch auf das Jahr 1879 bezogen. Da mittlerweile Dirigent Eisenecker zurückgetreten war, leitete Bernhard Hoffmann, ein Dirigent aus den eigenen Reihen, die Kapelle musikalisch in dieser Zeit.

Februar 1990 wurde mit Eugen Engelhardt ein neuer Dirigent verpflichtet und im März 1990 Hans Haffner als neuen 1. Vorsitzenden verpflichtet. Zwei Jahre später erklärte Eugen Engelhardt seinen Rücktritt und der Verein griff nun endgültig auf Bernhard Hoffmann zurück, der jedoch lediglich max. 5 Jahre Dirigententätigkeit in Aussicht stellte, sodass man 1997 Hans-Peter Huber bat, den Verein musikalisch zu führen.